Lesestunde mit KI
04.11.2024
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Dafür hat das Fraunhofer IDMT in Oldenburg mit dem Startup eKidz.eu aus München, der Universität Regensburg und der Hochschule Flensburg zusammengearbeitet. Integriert in die eKidz-App können die Entwicklungen nun durch Schulen genutzt werden und sollen Lehrkräfte bei einer individuellen Förderung der einzelnen Schülerinnen und Schüler unterstützen.
Lehrkräften in Grundschulen fehlt es oftmals an Ressourcen, um die individuelle Lesekompetenz jeder Schülerin und jedes Schülers regelmäßig zu überwachen und individuell zu fördern. Daher arbeitet das »LeseKind« Projektkonsortium seit knapp drei Jahren an KI-Technologien, die eine automatische Einstufung der Lesekompetenz von Kindern im Grundschulalter ermöglichen sollen. Das Ziel: Jedes Kind beim Lesenlernen individuell einschätzen und bestmöglich fördern zu können. Die im Rahmen des Forschungsprojektes entstehende Anwendung zur Lesekompetenzbewertung, inklusiver einer Einstufung in verschiedene Lesestufen, wurde nun vollständig in die App »eKidz« aufgenommen und ist bereits in einer Pilotphase in Schulen im Einsatz.
Intelligente Algorithmen zur Auswertung von Kindersprache
Das Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT aus Oldenburg beschäftigt sich intensiv mit Technologien zur automatischen Bewertung von Sprechen, Sprache und Stimme. Alina Ernst aus der Gruppe Assistive Sprech- und Sprachanalyse erläutert: »Unsere digitalen Lösungen analysieren und fördern die verbale Kommunikation von Menschen. Beim Spracherwerb von Kindern kann die frühzeitige Erkennung eines Förderbedarfs unterstützt und so möglichen Entwicklungsstörungen entgegengewirkt werden.«
Im Rahmen des Projekts »LeseKind« hat das Fraunhofer IDMT seine automatischen Spracherkennungsalgorithmen für Kindersprache eingebracht und speziell für das Lautlesen angepasst. Ein wichtiger Projektfokus der Entwicklerinnen und Entwickler liegt insbesondere auf der Anwendbarkeit der automatischen Spracherkennung für Kindersprache auch in lauter Klassenraumumgebung sowie der abschließenden Integration und Evaluation der Bewertungsalgorithmen zur Lesediagnose. »Die Schnelligkeit der Analyse und die Genauigkeit der Auswertung steigert die Motivation beim Lernen. Die Anpassung unserer Spracherkennungstechnologie auf das Einsatzgebiet Leseübungen und Kindersprache ist dafür sehr wichtig und hat sich auch im Projekt »LeseKind« als erfolgreich erwiesen«, erklärt Jan Wellmann, Gruppenleiter Audiosystemtechnik & Automatische Spracherkennung am Fraunhofer IDMT. Die Sprachanalyse ist sowohl Basis einer anfänglichen Einstufung der Lernenden in das aus insgesamt 13 Lesestufen bestehende Lernprogramm als auch einer fortlaufenden Lernstandserhebung im Rahmen von 12 KI-Leseflüssigkeitstests.
Eine App fürs Lesenlernen
Mit Hilfe der eKidz-App sollen die Entwicklungen des Projekts im deutschsprachigen Raum Lehrkräften zugänglich gemacht werden. Die Basis-App ist bereits über Lizenzmodelle im Schuleinsatz erprobt. Die Datenerhebung zur neuartigen KI-Lesekompetenzbewertung erfolgt im Rahmen der bereits bekannten Übungsprogramme in der eKidz-App, bei denen Kinder u. a. Texte laut vorlesen. Lehrkräfte sollen damit entlastet werden, denn die App übernimmt anhand der regelmäßig erhobenen Daten bei Leseübungen die Bewertung der Leseleistung, gibt Feedback und verfolgt Fortschritte der Lernenden. Prof. Dr. Anita Schilcher von der Universität Regensburg betont: »Im Vergleich zu herkömmlichen Leseförderprogrammen ermöglicht die eKidz-App eine kontinuierliche Begleitung des Leselernprozesses und eine Rückmeldung des Lernfortschritts an die Kinder und die Lehrkräfte. Dieses engmaschige Feedback ist für das Lernen besonders günstig.
Bereits Anfang dieses Jahres wurden den Schulen die ersten neuen Elemente der App zugänglich gemacht. Ab sofort wird auch der abschließende Baustein der KI-Lernstandserhebung allen Nutzerinnen und Nutzern angeboten: Eine automatische Einstufung in Lesestufen sorgt dafür, dass das Lesetraining für jedes Kind von Anfang an auf dem passenden Level beginnt. »Die automatisierte Einstufung über KI zeigt neue Wege in der Förderung von Kindern beim Lesenlernen auf. Sie ist zudem hochskalierbar und bietet Potenzial für weitere Forschungsaktivitäten in der Leseunterstützung«, sagt Prof. Dr. Peter John von der Hochschule Flensburg.
Für die laufende Lernstandsanalyse sorgen KI-Leseflüssigkeitstests, die Lesegenauigkeit, Lesegeschwindigkeit und Leseverständnis messen. Das Programm adressiert die erste bis vierte Jahrgangsstufe der Grundschule sowie die Sprachförderklassen bzw. Deutsch als Zweitsprache (DaZ) im Sekundarbereich. »Schulbehörden, die sich mit Lernstanderhebung und Individualdiagnostik befassen, können wir jetzt eine fundierte Lösung auf neuestem Stand der Technik anbieten. Angesichts der wachsenden Schülerzahl können wir Lehrkräfte entlasten und damit die Förderung junger Lernender einfacher gestalten. Dazu gehört die laufende Feststellung der Lernsituation«, sagt Nataliya Tetruyeva, die Gründerin und CEO von eKidz.eu.
Hör-, Sprach- und Audiotechnologie HSA am Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT in Oldenburg
Der im Jahre 2008 unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier und Dr. Jens-E. Appell gegründete Institutsteil Hör-, Sprach- und Audiotechnologie HSA des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medientechnologie IDMT steht für marktnahe Forschung und Entwicklung mit Schwerpunkten auf
- Sprach- und Ereigniserkennung
- Klangqualität und Sprachverständlichkeit sowie
- Mobile Neurotechnologie und Systeme für eine vernetzte Gesundheitsversorgung.
Mit eigener Kompetenz in der Entwicklung von Hard- und Softwaresystemen für Audiosystemtechnologie und Signalverbesserung setzen die Mitarbeitenden am Standort Oldenburg wissenschaftliche Erkenntnisse in kundengerechte, praxisnahe Lösungen um.
Über wissenschaftliche Kooperationen ist der Institutsteil eng mit der Carl von Ossietzky Universität, der Jade Hochschule, der Hochschule Emden/Leer verbunden. Das Fraunhofer IDMT ist Partner im Exzellenzcluster »Hearing4all« und im Sonderforschungsbereich »Hörakustik«.